DIABOLUS IN MUSICA VI

THEY CAME FROM VISONS
The Twilight Robes

(see English version below)

Folk Horror als Gattung ist ein vergleichsweise junges Sujet.
Die Bezeichnung wurde zuerst für eine bestimmte Art von Filmen geprägt, welche Aspekte der Volksüberlieferung und des modernen Horrors zu einer eigenwilligen Melange verbindet und von denen ‚In den Krallen des Hexenjägers‘ (1971), ‚The Wicker Man‘ (1973) und ‚Der Hexenjäger‘ (1968) als unheilige Trinität und Gründungsmythos des Subgenres gelten.
Adam Scovell hat eine gedankliche Kette konstruiert, welche diesen Mix definieren soll. Als deren Glieder benennt er die ästhetische Nutzung archaischer Landschaften, die Isolation Einzelner oder überschaubarer Gruppen darin, was absonderliche Glaubens- und Moralsysteme hervorbringt, welche schließlich in verstörend grausamen Perversionen, Ritualen oder gar dämonischen Manifestationen eskalieren.
Die Natur des Subgenres bedingte von Anfang an enge Verknüpfungen zu Mythologie, Volksglaube und heidnischen Überlieferungen, aber greift auch stets Kunst, Literatur und vor allem die Musik auf.
Und eine beeindruckende, wenn nicht gar essenzielle Inkarnation des letzten Aspekts sind THEY CAME FROM VISONS.

Bereits mit dem suggestiven Artwork ihres soeben erschienenen zweiten Langspielers ‚The Twilight Robes‘, welches sich im symbolschweren Stil mittelalterlicher Buchmalerei präsentiert, sowie mit der gesichtslosen Selbstdarstellung der Band in historischer Imkertracht erschafft das ukrainische Trio eine mysteriöse Stimmung um sich und sein Werk, welche urtümliche Traditionen, unbehagliches Alter und eine stete, unterbewusste Bedrohung andeutet.
Dementsprechend handeln auch die Texte von der schaurigen Seite der Natur, sowie alter Sagen und Überlieferung, scheinen jedoch auch jenes schwarzhumorige Augenzwinkern zu bewahren, was schon den besagten Film ‚The Wicker Man‘ auszeichnete und kontrastierte.

‘The Twilight Robes’ eröffnet anheimelnd und ausgelassen in der trügerischen Geborgenheit versonnenen Saitenspiels, nur um gleich darauf in einem Wirbel düsterer Klanggewalt auszubrechen.

Der Black Metal der Ukrainer bietet sich abwechslungsreich und eigenwillig dar.
Treibende Riff-Monotonie über stampfenden Rhythmen im Wechselspiel mit folkloristischen Melodien und sphärischen Passagen, durchdrungen von vehementem Gesang, der zwischen innbrünstigen Schreien und elegischen Chorälen variiert.
Die Stimmung wird von hohen, beinahe schrillen Gitarren getragen, die bisweilen eher an klagende Balalaikas erinnern, was somit die volkstümliche Anmutung auf eigenwillige Weise zusätzlich unterstützt.
Eine harsche, raue und dennoch nuancierte Produktion verleiht dem Ganzen zusätzlichen Charme, da sie das Werk von der Anmutung her in die Mitte der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts zurückdatieren möchte.

All diese Elemente vereinen sich, um eine eindringliche, subtile Atmosphäre des ehrfürchtigen Schauers zu erschaffen und den Hörer für eine Dreiviertelstunde auf verstörend schöne und gefährliche Abwege zu entführen.
Weite Klanglandschaften breiten sich vor dem inneren Auge aus, verstricken sich in widersprüchliche und dennoch ineinandergreifende Emotionen. Von einem tiefen, unbestimmten Sehnen über wütende Aggression bis hin zum Gefühl der Verlorenheit in nebulöser Leere.

‚The Twilight Robes‘ ist ein eindringliches Ritual, eine intensive Erfahrung, die von mitreißender Musik, starken Bildern und Emotionen lebt, was vielversprechend in dem Video zu ‚The Blissful Defeat‘ kulminiert.

Und all dies macht THEY CAME FROM VISIONS zu einer unumwundene Empfehlung meinerseits.

***

Folk horror as a category is a rather young subject. The term was firstly coined for a certain type of film that combines aspects of folklore with modern horror in a wayward blend, and of which ‘The Blood On Satan’s Claw’ (1971), ‘The Wicker Man’ (1973) and ‘Witchfinder General’ (1968) are considered the unholy trinity and the subgenre’s founding myth.
Adam Scovell has constructed a chain of thought to define this special mixture. Its links can be described as the aesthetic use of primeval landscapes, the isolation of individuals or small societies therein, the skewed beliefs and moral systems emerging from this situation and finally the escalation in disturbing and gruesome perversions, rituals or even demonic manifestations.
The subgenre by nature has been connected strongly to mythology, folk belief and heathen lore from the start but also linked to art, literature and of course music.
And an impressive if not essential incarnation of this latter aspect are THEY CAME FROM VISIONS.

Through the accompanying suggestive artwork in the symbolic style of medieval miniatures, combined with a faceless appearance in historic beekeeper’s robes, the Ukrainian trio creates a mysterious atmosphere around themselves and their work, which hints at archaic traditions, discomforting age and a persistent subconscious menace.
According to this, the lyrics evoke the dark side of nature as well as eerie myths and legends, but seem to maintain a wink of dark humour that also characterised and contrasted the aforementioned film ‘The Wicker Man’.

Just released second longplayer, ‘The Twilight Robes’ opens quaintly and jolly in the deceitful comfort of wistful sound of strings, only to erupt into a vortex of eldritch sonic violence right away.

The Ukrainians’ Black Metal can be described as versatile and idiosyncratic.
Driving, monotone riffing underpinned by stomping beats alternates with folkloristic melodies and celestial parts; penetrated by fierce vocals that vary between ardent screams and elegiac hymns.
The high strung, almost shrill guitars remind one of wailing balalaikas what aids to the folkloristic mood in an unconventional way.
A harsh and gritty but nuanced production lends additional charisma to all this and attempts to date the work’s impression back to the mid-nineties of the last century.

All these elements are melded into a vivid, subtle atmosphere of chilling awe and carry the listener off for 45 minutes of unsettling and dangerous bliss.
Vast soundscapes spread before the inner eye, indulge in divergent though entwined sentiments. A deep, indefinite yearning; raging aggression – and the sensation of forlornness in a nebulous void.

‚The Twilight Robes‘ is a haunting ritual, an intense experience, emerging from entrancing music, powerful images and emotions, culminating auspiciously in the video to ‚The Blissful Defeat‘.

And all this makes THEY CAME FROM VISONS an outright recommendation from my side.

ad comitatum

THEY CAME FROM VISIONS on:

Bandcamp

Facebook

Instagram

***

Adam Scovell on the Folk Horror Chain

Hinterlasse einen Kommentar