Hervorgehoben

voi ch’entrate

Eine persönliche Chronik über alles Okkulte und Geheimnisvolle

Mythologie, Aberglauben und Folklore

Literatur, Kunst, Musik und Filme der abwegigen Art

Zur Erbauung all jener, die das Krächzen der Krähen über nebelverhangenem Moor genauso lieben, wie den Geruch von schwelendem Weidenholz in kühler Luft

Und welche die dunklen Wälder ebenso leichtherzig durchstreifen, wie den nächtlichen Friedhof oder einsame Steinkreise in der Wildnis  

Willkommen

***

A personal log about everything occult and mysterious

Mythology, superstition and folklore

Literature, art, music and cinema of the deviant kind

For the edification of all those who love the cawing of crows over foggy moors as much as the smell of smoldering willow wood in the cool air

And who roam the dark forests as light-heartedly as the nocturnal graveyard or lonely stone circles in the wilderness

Welcome

all artwork and photographs on this side by Muninsheim if not stated otherwise

DEAE & DEMONIAE MUNDI VI

(see English version below)

In den Wäldern haust sie, in einer magischen, von Hühnerbeinen getragenen Hütte. 

Ihr Gatter zieren die blanken Schädel ihrer Opfer. 

In einem Mörser reitet sie durch die Lüfte. 

Aus Eisen sind ihre Zähne.  

Baba Jaga, das Waldweib, Großmütterchen.

Knochenbein wird sie genannt.

Als menschenfressende Hexe ist sie gefürchtet.  

Manch einer glaubt in ihr eine alte, vom Christentum verteufelte Muttergöttin zu erkennen, ungezähmt und gefährlich. 

Sagen und Märchen werden um sie gesponnen. Sie inspiriert Künstler, Musiker und Schriftsteller gleichermaßen. 

Wer sich in die dunklen, slawischen Wälder wagt, der sollte sich gut mit ihr stellen. Dann mag sie dem Wanderer als gütige und großzügige Begleiterin erscheinen.

Wer sich in ihrem Reich jedoch nicht zu betragen weiß, beendet sein irdisches Dasein als Braten auf ihrem Mittagstisch. 

***

She dwells in the forest, in a magical hut on chicken legs. 

Her fence is decorated with the skulls of her victims. 

In a mortar she travels through the air. 

Of iron are her teeth. 

Baba Yaga, wood-woman, grandmother.

Bony legs she’s called.

As a man-eating witch she’s feared. 

Some believe her to be an ancient mother-goddess, untamed and dangerous; and therefore, demonized by Christendom. 

She haunts old sagas and fairy tales and inspires artists, musicians and writers equally. 

Whoever dares to wander the dark Slavic woods should get in her good books. Then she may appear as a kind and generous companion. 

But who does not know how to behave politely in her realm will end his earthly days as roasted meat upon her dinner table.  

ad comitatum

Wikipedia (deutsch)

Wikipedia (english)

DIABOLUS IN MUSICA VII

NEON ODIN
Allfather

(see English version below)

Wie würde es wohl klingen, wenn ein junger John Carpenter, BATHORYs Quorthon und WARDRUNAs Einar Selvik sich in einer alternativen Realität träfen, um Neil Gaimans Buch ‚American Gods‘ zu vertonen? Vermutlich so, wie das Album ‚Allfather‘ von NEON ODIN.

Unter diesem Namen nämlich schickt sich Vvildr, Kopf und Herz des atmosphärischen Pagan/Black Metal Projekts VVILDERNESS aus Ungarn an, den Synthwave der Achtziger Jahre mit folkloristischen Klängen und nordischer Mythologie zu einem überraschend stimmigen und aufregenden Werk zu verschmelzen.
Das Ergebnis ist ein ergreifendes Sounderlebnis, die Beschwörung uralter Mythen und gleichzeitig die Verklärung einer Ära, wie sie sich in das kollektive Gedächtnis einer verlorenen Generation eingeprägt hat.

Die Inspirationen sind eindeutig. Der bereits genannte John Carpenter, Bands wie TANGERINE DREAM aber auch POPOL VUH dürften Vvildr immer wieder als Mentoren im Geiste zur Seite gestanden haben.
Dabei gerät ‚Allfather‘ (erschienen im Dezember 2023) aber nicht zur nostalgischen Epigone, sondern findet ganz eigenen Stil und Ausdruck.
Sphärische Kristallklänge und pulsierende Rhythmen aus dem Computer dominieren natürlich, verbinden sich jedoch immer wieder auf wunderbare Weise mit den rauen Stimmen von Nyckel- und Talharpa, während altmodische Stahlsaiten Akzente wehmütiger Energie setzen.
Vor dem thematischen Hintergrund der nordischen Götterwelt und in Kombination mit den stimmungsvollen Illustrationen lassen die Instrumentalstücke eine cineastische Traumwelt vor dem inneren Auge des Zuhörers aufsteigen, mal heiter, mal melancholisch, dann wieder sich in epische Gefilde aufschwingend oder unheilvoll düster raunend.

Nächtliche Straßenschluchten zwischen Monolithen aus Glas und Beton, wo vielfarbiges Neonlicht kryptische Runen auf den regennassen Asphalt zaubert.
Eine amorphe Ära, in der Dystopie und Anarchie aufeinandertreffen, in welcher urbane Stämme ihre Reviere durchstreifen und wo im lichtscheuen Unterholz der brodelnden Städte uralte Träume, Furor und Sehnsucht schlummern.
Ein Zeitalter der Cyberpunks und Road Warriors, der Blade Runner, Highlander und Lost Boys, in welchem die Geschöpfe der Anderswelt ihre tiefen Wälder und entrückten Bergfestungen verlassen, um auf Wolfskrallen und Krähenschwingen die Abgründe der Stadt zu durchstreifen.

NEON ODIN ist die musikalische Quintessenz der Mythen einer postmodernen Epoche und der archaischen Wurzeln, aus welchen sie erwachsen. Der perfekte Soundtrack vom Tannhäuser Tor bis zum Mattiswald, zu dem sich träumen und sehnen, kämpfen, lieben und tanzen lässt.
Allen Cyberschamanen, Schattenläufern und Glaswandlern sei ‚Allfather‘ daher mit Inbrunst ans einsame Herz gelegt.

***

What would it sound like, if a young John Carpenter, BATHORY’s Quorthon and WARDRUNA’s Einar Selvik met in an alternate reality to score Neil Gaiman’s book ‘American Gods’? Probably like ‘Allfather’, the first release by NEON ODIN.

It is by this name that Vvilder – mastermind behind atmospheric pagan/black metal project VVILDERNESS from Hungary – has set off to meld eighties synthwave with folkloristic music and Nordic mythology into a surprisingly harmonious and exciting alloy.
The result is a gripping experience; the evocation of ancient myths and simultaneously the transfiguration of an era and how it has engraved itself onto the collective memory of a lost generation.

Inspirations are obvious. Already mentioned John Carpenter as well as bands like TANGERINE DREAM and also POPOL VUH might have served as mentors in spirit.
But ‘Allfather’ (released in December 2023) is not just a nostalgic carbon copy but can claim its very own style and expression.
The domineering electronics – spheric, crystalline chimes and vibrant beats – connect organically with the rough voices of nyckelharpa and talharpa, while now and then old fashioned steel strings emphasize the atmosphere with wistful energy.
Dedicated to the Nordic pantheon and in conjuction with the terrific artwork those instrumentals create a whole cinematic universe before the listener’s inner eye; sometimes cheerful, sometimes melancholic; soaring up to epic realms or murmuring dark and gloomy.   

Nocturnal urban canyons between monoliths of glass and steel, where multicoloured neon light paints cryptic runes on the rain-slicked asphalt.
An amorphous era in which dystopia and anarchy battle against each other; in which modern tribes range their territories and where in the bubbling city’s undergrowth ancient dreams, fury and desire are slumbering.
An age of Cyberpunks and Road Warriors, of Blade Runners, Highlanders and Lost Boys in which the creatures of the otherworld leave their deep forests and aloof mountain strongholds to roam the concrete chasms on claw of wolf and wing of crow.

NEON ODIN represents the quintessential myths of a postmodern world and the archaic roots from which they grow. The perfect soundtrack from the Tannhauser Gate to Matt’s Fort, by which one can dream and yearn; fight, love and dance.
Recommended with fervour to the lonely hearts of all the Cyber-Shamans, Shadow Runners and Glass Walkers out there.

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DEAE & DAEMONIAE MUNDI V

(see English version below)

Wenn man in Schottlands einsamer Wildnis einer uralten Vettel begegnet, die einen mit vorstehenden Zähnen unverhohlen angrinst, während sie an einem Gewässer blutige Totenhemden wäscht, dann sollte man sich auf dräuendes Unheil gefasst machen. Denn offenbar hat man gerade die Bean-Nighe getroffen, die Todesfee (ban-sìth) der gälischen Überlieferung.
Und das bedeutet, dass die Sense des grimmen Schnitters bereits über dem Clan des unglücklichen Zeugen schwebt.

Die irische Banshee (bean sídhe) ist ihre Gevatterin, doch im Gegensatz zu jener sucht die Bean-Nighe die Sippe des Todgeweihten nicht mit klagenden Schreien heim, auch wenn man sie bisweilen ihr Werk mit einem schaurigen Totenlied begleiten hört.
Ungeniert erscheint sie dem Betrachter als groteske, missgestaltete Wäscherin mit nur einem Nasenloch, deren Erscheinung in den einzelnen Regionen Albas und auf den vorgelagerten Inseln bisweilen leicht variiert.

Man sagt, bei diesen Todesbotinnen handle es sich um die Geister jener Frauen, die im Kindbett starben und auch eine Ähnlichkeit zur Langtüttin des Kontinents besteht, zumindest in jener Eigenart, sich die hängenden Brüste über die Schultern zu werfen, wenn sie ihr bei ihrem Handwerk im Wege sind.

Manchmal erfüllt sie gar Wünsche und lässt den Betrachter über Leben und Tod eines Feindes entscheiden. Und um nochmals auf ihre Brüste zu sprechen zu kommen: Wer sich eine davon greifen und in den Mund stecken kann, um vorzutäuschen, er sei ihr Pflegekind, dem wird sie großzügig alle wissbegierigen Fragen beantworten, die das vermeintliche Familienmitglied stellen mag.

Daher fürchten und achten Sterbliche gleichsam diese düstere Prophetin aus der Anderswelt.

Und am Ende liegt es bei jedem Einzelnen selbst, ob man ihre Ankündigung des Unausweichlichen als Fluch oder Segen zu nehmen weiß.

***

If in the lonely wilderness of Scotland a wanderer comes across an old, buck toothed crone who blatantly grins at him while washing bloody grave-clothes in a stream, he should be prepared for impending doom. Because obviously he has just met the Bean-Nighe, the death-sprite (ban-sìth) of Gaelic folklore.
And that means the grim reaper’s scythe already soars above the unlucky witness’ clan.

The Irish Banshee (bean sídhe) is her kindred, but while she haunts the houseof the doomed one with wailing screams, the Bean-Nighe at best accompanies her eerie work by singing a mournful dirge.
She appears unabashed as a grotesque, malformed washerwoman with only one nostril, though her description varies slightly in the regions of Alba and its offshore isles.

It is said those death-messengers are the ghosts of yonder women, who died while giving birth, and like the continental Langtüttin she has the habit to throw her saggy breasts over her shoulder if they interfere with her trade.

Sometimes she grants wishes and offers a decision over life and death of one’s enemies.
And speaking of breasts: if you can grab one of those and put it in your mouth, pretending to be her foster-child, she will generously answer every question her alleged kin may ask.

That’s why mortals fear and honour this eldritch prophetess from the otherworld at the same time.

And in the end, it is everyone’s own decision if her proclamation of the inevitable is to be considered curse or blessing.

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Wikipedia (deutsch)

Wikipedia (english)

DIABOLUS IN MUSICA VI

THEY CAME FROM VISONS
The Twilight Robes

(see English version below)

Folk Horror als Gattung ist ein vergleichsweise junges Sujet.
Die Bezeichnung wurde zuerst für eine bestimmte Art von Filmen geprägt, welche Aspekte der Volksüberlieferung und des modernen Horrors zu einer eigenwilligen Melange verbindet und von denen ‚In den Krallen des Hexenjägers‘ (1971), ‚The Wicker Man‘ (1973) und ‚Der Hexenjäger‘ (1968) als unheilige Trinität und Gründungsmythos des Subgenres gelten.
Adam Scovell hat eine gedankliche Kette konstruiert, welche diesen Mix definieren soll. Als deren Glieder benennt er die ästhetische Nutzung archaischer Landschaften, die Isolation Einzelner oder überschaubarer Gruppen darin, was absonderliche Glaubens- und Moralsysteme hervorbringt, welche schließlich in verstörend grausamen Perversionen, Ritualen oder gar dämonischen Manifestationen eskalieren.
Die Natur des Subgenres bedingte von Anfang an enge Verknüpfungen zu Mythologie, Volksglaube und heidnischen Überlieferungen, aber greift auch stets Kunst, Literatur und vor allem die Musik auf.
Und eine beeindruckende, wenn nicht gar essenzielle Inkarnation des letzten Aspekts sind THEY CAME FROM VISONS.

Bereits mit dem suggestiven Artwork ihres soeben erschienenen zweiten Langspielers ‚The Twilight Robes‘, welches sich im symbolschweren Stil mittelalterlicher Buchmalerei präsentiert, sowie mit der gesichtslosen Selbstdarstellung der Band in historischer Imkertracht erschafft das ukrainische Trio eine mysteriöse Stimmung um sich und sein Werk, welche urtümliche Traditionen, unbehagliches Alter und eine stete, unterbewusste Bedrohung andeutet.
Dementsprechend handeln auch die Texte von der schaurigen Seite der Natur, sowie alter Sagen und Überlieferung, scheinen jedoch auch jenes schwarzhumorige Augenzwinkern zu bewahren, was schon den besagten Film ‚The Wicker Man‘ auszeichnete und kontrastierte.

‘The Twilight Robes’ eröffnet anheimelnd und ausgelassen in der trügerischen Geborgenheit versonnenen Saitenspiels, nur um gleich darauf in einem Wirbel düsterer Klanggewalt auszubrechen.

Der Black Metal der Ukrainer bietet sich abwechslungsreich und eigenwillig dar.
Treibende Riff-Monotonie über stampfenden Rhythmen im Wechselspiel mit folkloristischen Melodien und sphärischen Passagen, durchdrungen von vehementem Gesang, der zwischen innbrünstigen Schreien und elegischen Chorälen variiert.
Die Stimmung wird von hohen, beinahe schrillen Gitarren getragen, die bisweilen eher an klagende Balalaikas erinnern, was somit die volkstümliche Anmutung auf eigenwillige Weise zusätzlich unterstützt.
Eine harsche, raue und dennoch nuancierte Produktion verleiht dem Ganzen zusätzlichen Charme, da sie das Werk von der Anmutung her in die Mitte der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts zurückdatieren möchte.

All diese Elemente vereinen sich, um eine eindringliche, subtile Atmosphäre des ehrfürchtigen Schauers zu erschaffen und den Hörer für eine Dreiviertelstunde auf verstörend schöne und gefährliche Abwege zu entführen.
Weite Klanglandschaften breiten sich vor dem inneren Auge aus, verstricken sich in widersprüchliche und dennoch ineinandergreifende Emotionen. Von einem tiefen, unbestimmten Sehnen über wütende Aggression bis hin zum Gefühl der Verlorenheit in nebulöser Leere.

‚The Twilight Robes‘ ist ein eindringliches Ritual, eine intensive Erfahrung, die von mitreißender Musik, starken Bildern und Emotionen lebt, was vielversprechend in dem Video zu ‚The Blissful Defeat‘ kulminiert.

Und all dies macht THEY CAME FROM VISIONS zu einer unumwundene Empfehlung meinerseits.

***

Folk horror as a category is a rather young subject. The term was firstly coined for a certain type of film that combines aspects of folklore with modern horror in a wayward blend, and of which ‘The Blood On Satan’s Claw’ (1971), ‘The Wicker Man’ (1973) and ‘Witchfinder General’ (1968) are considered the unholy trinity and the subgenre’s founding myth.
Adam Scovell has constructed a chain of thought to define this special mixture. Its links can be described as the aesthetic use of primeval landscapes, the isolation of individuals or small societies therein, the skewed beliefs and moral systems emerging from this situation and finally the escalation in disturbing and gruesome perversions, rituals or even demonic manifestations.
The subgenre by nature has been connected strongly to mythology, folk belief and heathen lore from the start but also linked to art, literature and of course music.
And an impressive if not essential incarnation of this latter aspect are THEY CAME FROM VISIONS.

Through the accompanying suggestive artwork in the symbolic style of medieval miniatures, combined with a faceless appearance in historic beekeeper’s robes, the Ukrainian trio creates a mysterious atmosphere around themselves and their work, which hints at archaic traditions, discomforting age and a persistent subconscious menace.
According to this, the lyrics evoke the dark side of nature as well as eerie myths and legends, but seem to maintain a wink of dark humour that also characterised and contrasted the aforementioned film ‘The Wicker Man’.

Just released second longplayer, ‘The Twilight Robes’ opens quaintly and jolly in the deceitful comfort of wistful sound of strings, only to erupt into a vortex of eldritch sonic violence right away.

The Ukrainians’ Black Metal can be described as versatile and idiosyncratic.
Driving, monotone riffing underpinned by stomping beats alternates with folkloristic melodies and celestial parts; penetrated by fierce vocals that vary between ardent screams and elegiac hymns.
The high strung, almost shrill guitars remind one of wailing balalaikas what aids to the folkloristic mood in an unconventional way.
A harsh and gritty but nuanced production lends additional charisma to all this and attempts to date the work’s impression back to the mid-nineties of the last century.

All these elements are melded into a vivid, subtle atmosphere of chilling awe and carry the listener off for 45 minutes of unsettling and dangerous bliss.
Vast soundscapes spread before the inner eye, indulge in divergent though entwined sentiments. A deep, indefinite yearning; raging aggression – and the sensation of forlornness in a nebulous void.

‚The Twilight Robes‘ is a haunting ritual, an intense experience, emerging from entrancing music, powerful images and emotions, culminating auspiciously in the video to ‚The Blissful Defeat‘.

And all this makes THEY CAME FROM VISONS an outright recommendation from my side.

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Adam Scovell on the Folk Horror Chain

DEAE & DEMONIAE MUNDI IV

(see English version below)

Wenn an heißen Tagen zur Mittagsstunde alle Schatten von den Feldern fliehen, mag dem Unglücklichen plötzlich ein unheimlicher Naturgeist zwischen den Ähren erscheinen.

Pŕezpołnica wird sie bei den Sorben genannt, Południca in Polen.

Die Mittagsfrau.

Ihre hagere, bleiche Gestalt flimmert unwirklich in der Hitze. Ihre Sichel glänzt in den Strahlen der Sonne, begierig darauf, sich durch die Kehle ihres Opfers zu schneiden, wie durch reifes Korn.

Wer diesem grausigen Schicksal entgehen will, kennt sich besser gut mit der Flachsverarbeitung aus. Dann kann er die Dämonin vielleicht mit einem ausführlichen Vortrag über ihr Lieblingsthema unterhalten, bis sie mit dem Ende der Mittagstunde unverrichteter Dinge wieder verschwindet.

Eine faire Chance, möchte man meinen. Doch wer weiß heutzutage schon noch etwas über die Geheimnisse von Wirtel und Webstuhl?

***

When the twelfth hour strikes on hot days and all shadows flee the field, the unlucky might suddenly encounter an eerie sprite among the ears.

Pŕezpołnica she is named by the Sorbs, Południca in Poland.

Lady Midday.

Her gaunt, pale shape flickers illusively in the heat. Her sickle is gleaming in the sun, eager to cut through its victim’s throat like ripe corn.

Who wants to escape this gruesome fate better is well-versed in the workmanship of flax and linen. For then they may entertain the she-demon with an elaborate speech about her favourite subject until she disappears empty-handed by the end of noon.

It’s a fair chance one might thing. But who nowadays still knows anything about the secrets of spindle whorl and loom?

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Wikipedia (deutsch)

Wikipedia (english)

DIABOLUS IN MUSICA V

MOUNTAIN THRONE
The Silver Light

(see English version below)

In der Brandung diverser Retrowellen begibt sich heutzutage so manche Band auf den nebelverhangenen Friedhof des Heavy Metal, wühlt sich dort achtlos durch die Gräber alter Helden und kehrt mit einem Sack voller Leichenteile in den Proberaum zurück, welche mit grober Naht zu einem frankensteinschen Bastard zusammengeflickt werden. 
Dieser Golem mag sich zwar bewegen, nachdem ihm digitaler Strom durch die Bolzen am Hals gejagt wurde, aber allzu oft tanzt er nur seelenlos und entwürdigend kostümiert durch den Äther, ein trauriges Abziehbild dessen, was er nachzuahmen trachtet. 

Dies nun ist bei MOUNTAIN THRONE absolut nicht der Fall! 
Diese 2009 in Tübingen gegründete, vierköpfige Band mutet auf ihrem zweiten Langspieler nicht an, wie der schattenhafte Wiedergänger einer vergangenen Ära, sondern wie ein grimmiger Krieger aus alter Zeit, der mit erhobenem Schwert und eiserner Stirn ein Zeitportal direkt in unsere Gegenwart durchschritten hat und hier völlig unbeeindruckt alles in den Staub tritt, was sich ihm an Trends und modernen Hörgewohnheiten entgegenzustellen wagt. 

‘The Silver Light’ ahmt nicht nach, sondern atmet pure Authentizität und Ehrlichkeit. Mit jedem Akkord der mächtig sägenden Gitarren, mit jedem unverzagt geschmetterten Refrain, jedem treibenden Trommelschlag und jedem Knurren des Basses. 

Allein diese Auflistung sollte deutlich machen, was den Hörer erwartet: Klassische und unprätentiöse Instrumentierung, mitreißende Rhythmen, klare Songstrukturen, ausdrucksstarker Gesang und hymnenhafte Soli. Epischer, kraftvoller Heavy Doom, der Nacken bricht und die Faust zum Himmel stößt! 

Das fängt schon bei der großartigen Produktion an, die klar, lebendig und kraftvoll daherkommt, dabei dennoch den erdigen, rauen Charme des Kellerstudios bewahrt, welcher nach heißem Staub auf Verstärkerröhren riecht und dem Hörer eine Gänsehaut verpasst, mit der sich rostiger Stahl auf Hochglanz polieren ließe.   

MOUNTAIN THRONE erwachsen aus starken und gesunden Wurzeln, die sich tief in den felsigen Grund des klassischen Metal gegraben haben. 
Weder werden die Ursprünge im Blues Rock verleugnet, auf die schon JUDAS PRIEST und BLACK SABBATH zurückblicken konnten, noch bleibt die psychedelische Facette letzterer ungewürdigt. 
 Mal erhebt man sich kraftvoll in jene sphärischen Gefilde, die schon MANILLA ROAD ihrerzeit beschritten (Man the Rampart), dann drückt man das Publikum mit MOTÖRHEADscher Wucht an die Wand (Valkyrie), um schließlich mit schwermütigen Riffs und bombastischen Chören direkt nach Walhalla zu reiten, wie es sonst nur BATHORY einstmals vermochten (Death of a Tyrant). Zudem scheut man weder vor dem überlangen achteinhalb Minuten Epos, noch dem atmosphärischen instrumentalen Zwischenspiel zurück. Zusammen mit den Texten über Schlachten und Tod, Mythen und Gothic Horror ergibt sich daraus eine dichte, mystisch aufgeladene Aura.
Und trotz all der vorgenannten obligatorischen Vergleiche klingen MOUNTAIN THONE nie nach einem anbiedernden Klon ihrer Vorbilder, sondern einem rechtmäßigen Thronerben, dessen sich seine glorreichen Ahnen nicht zu schämen brauchen. 

Das Jahr fängt gut an, wenn einen bereits im Februar solch ein Sturmwind bei Herz und Seele packt.
Für mich definitiv eine lang ersehnte Neuentdeckung und ein früher Anwärter auf eine Führungsposition unter den besten Alben des jungen 2024. 

***

In the tides of various retro waves some bands nowadays head for the foggy cemetery of Heavy Metal, rummage carelessly through the tombs of ancient heroes just to return with a bag full of body parts to the rehearsal room and stich those up crudely into a frankensteinian bastard.  
This golem might be able to move after digital currents have been blasted through its neck-bolts, but o too often it only dances soulless and degradingly dressed up on the airwaves, a pathetic shadow of its role models. 

Well, that is definitely not the case with MOUNTAIN THRONE! 
This german band, founded 2009 in Tübingen, does on its second LP not sound like the spectral revenant of a bygone era, but like the grim and iron spirited warrior of an archaic age, who somehow stepped through a time portal straight into our present day and who now – unimpressed and with sword held high – treads into dust any trend or modern fad, that dares to step into his path.  

‘The Silver Light’ does not imitate; it breathes pure authenticity and honesty. By every chord of the mighty roaring guitar, every undauntedly belted chorus, every driving drumbeat and every growl of the bass. 

This listing should already give away what is in for the listener: classic and unpretentious instrumentation, captivating rhythms, clear song structures, expressive vocals and hymn-like solos. Epic, powerful Heavy Doom that breaks necks and rises fists in the air immediately!  

The great production sound comes along clear, dynamic and punchy, but also maintains the earthy and rough charisma of the basement studio, that smells like hot dust on amplifier tubes and causes goosebumps, that could give rusty steel a high polish. 

MOUNTAIN THRONE grow from strong and healthy roots that have buried themselves deep into the rocky ground of classic Metal. 
Neither groovy Blues Rock is denied, which already inspired JUDAS PRIEST and BLACK SABBATH nor the psychedelic facet of the latter ones remains unrecognized. 
One time the sound rises powerful to those celestial realms which MANILLA ROAD once roamed (Man the Rampart), then the audience is pushed against the wall with MOTÖRHEAD-like force (Valkyrie) and finally we ride on heavy melancholic riffs and guided by bombastic choirs straight to Valhalla like only BATHORY did before (Death of a Tyrant). Also, the band does not shy away from the eight and a half minutes epic nor the atmospheric instrumental interlude.
Combined with the lyrics about battles and death, myths and gothic horror a dense and highly mystical aura is evoked.
And despite of all the aforementioned mandatory comparisons MOUNTAIN THRONE never sound like a chumming up clone of their idols but like a rightful heir to the throne of whom his glorious ancestors need not be ashamed. 

A year starts well if already by February a storm wind like this rages through your heart and soul. 
To me this is a long-awaited new discovery and an early contender for a leading position among the best releases of a still young 2024. 

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Encyclopaedia Metallum

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TERROR HISTORIAE II

Als der Teufel nach Devon kam / When the Devil came to Devon

(see Englisch Version below)

Zu Beginn des Jahres 1855 bäumte sich der Winter noch einmal ungewöhnlich heftig über dem Südwesten Englands auf. Sturm und Eiseskälte fegten über das Land und hüllten es in ein weißes Leichentuch.
Nachdem daher die guten Leute von Devon ihr Vieh sicher in die Ställe getrieben hatten, verbarrikadierten auch sie sich selbst in der warmen Behaglichkeit ihrer Häuser und hofften, dass die Unbilden der Natur möglichst rasch und gütlich an ihnen vorüberziehen würden.
Als sie jedoch am Morgen des neunten Februars wieder vor ihre Tür traten, mussten sie feststellen, dass in dieser Nacht noch etwas anderes als die Macht des Winters ihre Städte und Dörfer heimgesucht hatte. Etwas weit unheimlicheres und Rätselhafteres.

Merkwürdige Spuren durchzogen die Grafschaft in langen Reihen. Irgendjemand – oder irgendetwas – war über eine Strecke von gut hundert Meilen schnurgerade durch den Schnee geschritten, hatte dabei offensichtlich eine unmögliche Geschwindigkeit an den Tag gelegt und nur hie und da in seinem Lauf die Richtung gewechselt.
Es waren die Abdrücke runder, offenbar gespaltener Hufe, in der Größe etwa den Spuren eines Esels entsprechend.
Aufgrund der Länge und des Schrittmusters jedoch kamen die verwunderten Betrachter schnell zu dem unbehaglichen Schluss, dass das, was auch immer hier entlanggestapft war, aufrecht und auf zwei Beinen unterwegs gewesen sein musste.
Zudem schien nichts vermocht zu haben, den Lauf des nächtlichen Wanderers zu hindern.

Endete die Spur vor einer Hauswand, so lief sie über das Dach hinweg und an der gegenüberliegenden Seite des Gebäudes unbeirrt und geradlinig fort. Mauern waren ebenso wenig ein Hindernis, wie Heuschober. Nicht einmal die Exe vermochte dem Unheimlichen Einhalt zu gebieten, denn als sich die Abdrücke an einem Ufer des Flusses verloren, setzten sie sich am gegenüberliegenden beharrlich fort. Sogar durch ein enges Regenrohr schien sich der ungebetene Gast auf irgendeine widernatürliche Art und Weise gezwängt zu haben

Die Spekulationen, wer oder was diese Fährte hinterlassen haben könnte, schossen schnell ins Kraut und es dauerte nicht lang, da hieß es bereits, Satan selbst sei in dieser Nacht nach Devon gekommen und habe seine gespaltenen Hufabdrücke hinterlassen, den Sterblichen zu Spott und Hohn.

Nicht nur das abergläubische Landvolk wurde von Furcht und Schrecken ergriffen, auch in den Zeitungen des fernen Londons berichtete und debattierte man über die ‚Teufelsspuren‘.
Sogar ein bewaffneter Trupp formierte sich, um dem dämonischen Besucher ein für alle mal heimzuleuchten.
Diese Bemühungen waren allerdings von keinem nennenswerten Erfolg gekrönt, wie kaum betont werden muss.

Rationalere Geister bemühten hingegen die heimische Fauna zur Erklärung. Unter anderem wurden Dachse als Urheber verdächtigt, aber auch Kröten, Vögel und Otter. Sogar ein, aus einer unbekannten Menagerie entsprungenes Känguru vermutete man und später wurde gar über frühe Versuche der Marine mit einem Wetterballon gemunkelt, welcher sich losgerissen hätte. Doch wirklich zufriedenstellen konnte keine dieser Erklärungen.

Zudem nutzten wohl missgünstige Puritaner in den folgenden Nächten die Aufregung, um gefälschte Spuren in den Kirchhöfen jener Gemeinden zu legen, die sich der Oxfordbewegung zugewandt zeigten, um deren Bestrebungen, die anglikanische Kirche in einem mehr katholischen Sinne zu reformieren, als Teufelswerk zu diskreditieren.

Was auch immer Meile um Meile in dieser Nacht durch die Grafschaft geschritten war, es gelang ihm, sich bis heute jeder Identifikation zu entziehen.
Stattdessen gingen die Fußspuren des Teufels in die lokale Folklore ein und hinterließen auf diesem Wege einen Abdruck in der kulturellen Landschaft Devons, welcher die Schneeschmelze des Jahres 1855 um ein Vielfaches überdauern sollte.

***

In the early days of the year 1855 an unusually hard winter reared up over the southwest of England. Snowstorms and freezing cold raged over the land and swathed it in a white shroud.
So, after they had driven their cattle to its safe stables, the good people of Devon barred themselves in the warm comfort of their homesteads and hoped the wrath of nature might pass them soon and unscathed.
But when they looked out of their doors at first light of the ninth of February, the countryfolk had to realise that something else than just the might of winter had bedevilled their towns and villages this night. Something far more eerie and mysterious.

Strange footprints paved the County in long lines. Somebody – or something – had made its way for an amount of 100 miles dead straight through the virgin snow, moving at an impossible speed and with just a few changes of direction.
This was a trail of round, seemingly cloven hooves, corresponding in size to a donkey’s imprints.
Regarding length and pattern of the track the bewildered spectators had to come to the discomforting conclusion though, that whatever had stomped these grounds must have had done so upright and on two legs.
What’s more, nothing appeared to have been able to hinder the path of the nocturnal wanderer.

Did the prints run into the side of a house they crossed the snow-covered roof and went unflinchingly on at the opposite side of the building. Walls meant no obstacles nor did haystacks. And even the Exe could not bring the uncanny to a halt, because where the hoofprints disappeared on the riverbank they continued at yonder shore. The uninvited guest even seemed to have squeezed himself through a drainpipe in some unnatural fashion.

Speculations who or what could have left these tracks ran rampant and word spread soon, Satan himself had come to Devon this night and left his cloven marks to mock the frightened mortals.

Not only superstitious countryfolk was taken by shock and fear; also the newspapers of far away London published and debated on the ‚Devil’s Footprints‘. Even an armoured party set out to tell the demonic traveller off once and for all. It goes without saying that this effort wasn’t crowned with any significant success.   

More level headed minds suggested zoological explanations. Badgers got under suspicion as perpetrators as well as toads, birds and otters. Even a kangaroo was assumed to have broken free from some unknown menagerie and later an early kind of naval weather balloon, that got loose became a suspect, too. But none of these explanations could really hold water in the end.

The case got even more dubious when begrudged Puritans used the commotion and themselves faked hoofprints in the churchyards of parishes affiliated with the Oxford Movement, intending to discredit as deviltry their efforts to reform the Anglican Church in a more Catholic way.

Whatever walked mile after mile through the county that night, evades a final identification until today.
Instead the Devil’s Footprints went down in local folklore and thus left an imprint in Devon’s cultural landscape that outlived the thaw of 1855 many times over.

ad comitatum

Wikipedia (deutsch)

Wikipedia (english)

‚Rätselhafte Wirklichkeiten – Aus den Archiven des Unerklärlichen‘
Victor Farkas, Heyne, 2. Auflage, 2002

DEAE & DEMONIAE MUNDI III

(see English version below)

Ihre Legende reicht weit zurück, bis ins bleiche Morgengrauen der Zivilisation.

Man sagt, Gilgamesch fällte den Baum, dessen Zweigen sie in uralten Zeiten entsprang.

Als rachsüchtige Dämonin suchte sie die karge Wüste heim, zugleich voller Verachtung für die Hochmut und die Unterwürfigkeit der Menschen.
Diese hingegen fürchteten sie und ersannen allerlei Zauberformeln, welche die Neugeborenen vor ihrer Arglist und ihrem Blutdurst schützen sollten.

Spätere Überlieferung machte sie zur ersten Frau Adams, die aus dem Garten Eden vertrieben worden war, da sie sich nicht dem Manne unterordnen wollte.

Nachtschwinge, Kindsmörderin, Giftmischerin und Sukkubus nannte man sie.

Und dennoch durchstreift Lilith bis heute ungebeugt die Schatten, erfährt in diesen Tagen gar Verehrung ob ihrer wilden und ungezähmten Natur.

Sie ist dunkle Mutter, Hexengöttin und Symbol für Rebellion, Stolz und Unabhängigkeit.

Wahrlich, eine Entität mit vielen Gesichtern. Und ihre Sage ist noch weit davon entfernt, auserzählt zu sein.

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Her legend reaches far back in time, right to the bleak dawn of civilization.

Gilgamesh is said to have felled the tree of which branches she had risen in ancient times.

As a vengeful she-demon she haunted the barren wastelands; full of disdain for humanity’s haughtiness and subservience at the same time.
Men though feared her and conceived all kinds of magical spells to shield the newborns from her malice and bloodthirst.

Later lore makes her the first wife of Adam, who had been exiled from Eden, because she would not subordinate to the man.

Nightwing, child-murderer, poisoner and succubus she has been called.

And yet she roams the shadows unbroken to this day; is nowadays even worshipped for her wild and untamed nature.

She is also dark mother, witch-goddess and symbol for rebellion pride and independence.

Truly an entity of many faces, her saga still is far from being told for good.

ad comitatum

Wikipedia (deutsch)

Wikipedia (english)

DIABOLUS IN MUSICA IV

Photo: Sam Piper

Eldritch Folklore, Myth and Legends from Herefordshire/UK

(see English version below)

Ein einsamer Wanderer mag über die extravagante Mode der Landbevölkerung erstaunt sein, wenn er sich inmitten der grünen Felder und sanften Hügel der westlichen Home Counties einer Horde zerlumpter, dunkler Gestalten, behängt mit Federn, Blättern und Knochen gegenübersieht.

Wenn dann zudem der Donnerschlag mächtiger Trommeln ertönt und sich mit dem Klang von Flöte und Fidel mischt, während gespenstische Schatten sich in einem hypnotischen Wirbel drehen und winden – springend, schreitend und dabei wild ihre Fackeln schwenkend – dann mag der Wanderer beginnen, unerwartete Nebeneffekte des örtlichen Cidres in Betracht zu ziehen.

Und wenn schließlich riesige, pelzige Geschöpfe zwischen den Tanzenden erscheinen, ihre mächtigen Hörner im Rhythmus wiegen und mit rotglühenden Augen um sich starren… dann mag unser Wanderer schließlich die Tatsache akzeptieren, irgendwo auf dem Weg die unsichtbare Grenze in eine wilde Anderswelt überschritten zu haben – und sich unter dem aufsteigenden Mond einreihen in den Reigen der Feen, Bestien und Kobolde…

Gegründet am 13. Oktober 2019 im englischen Herefordshire, bezeichnen BLACKTHORN RITUALISTIC FOLK sich selbst als ‘innovative dark performance group’.
Dieser Bund hat es sich zum Ziel gesetzt, der lokalen Folklore neues Leben einzuhauchen, traditionelle Tänze, Musik und Feiern wiederzuerwecken und ihnen eine ganz eigene, heidnische Spiritualität und Romantik zu verleihen.

Inspiriert von diversen Volkstänzen kreieren BLACKTHORN eigene Choreografien, welche unter vielversprechenden Namen, wie ‘The Green Man’, ‘The Corpse Candles’ or ‘An Ode to John Dee’ daherkommen.
Dabei kommt auch allerlei selbstgefertigter, mythischer Mummenschanz zum Einsatz, zum Beispiel der schwarze Bulle Black Vaughan, der Apple Tree Man oder der Darkest Ooser, eine gekonnte Nachahmung des verlorenen Dorset Ooser, dessen hölzernes Antlitz mittlerweile zu einer schaurigen Ikone der Folk Horror Gemeinde geworden ist.

Die Mitglieder versammeln sich für ihre Rituale an den heiligen Stätten der heimischen Wildnis, um dort die acht Feste des Jahresrads zu zelebrieren. Sie nehmen auch an kommunalen Volksfesten teil und arbeiten ebenfalls mit anderen Künstlern zusammen, wie den Doom Metal Aufsteigern GREEN LUNG oder den Pagan/Goth-Rock Veteranen von INKUBUS SUKKUBUS.

Neben all dem rituellen Spektakel hat BLACKTHORN auch keine Scheu, sich als Gruppe klar gegen Faschismus, Rassismus und Diskriminierung jeder Art zu positionieren.
Obwohl das eine Selbstverständlichkeit sein sollte, ist es eine wohltuende Stellungnahme in finsteren Zeiten, in denen Kultur und Tradition nach wie vor als Werkzeuge des Hasses und der Trennung missbraucht, und nicht, wie vorgesehen, als ausgelassene Feier der Unterschiede und Verbindung zelebriert werden.  

BLACKTHORN RITUALISTIC FOLK sind lebende Folklore der besten Art. Ein junger, lebendiger Spross aus uralten Wurzeln.
Möge er wachsen und gedeihen. Und möge er auch andere inspirieren, sich dem Tanz anzuschließen, und Feuer und Schatten gleichermaßen im Herzschlag der Erde zu umarmen.

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When roaming the green fields and rolling hills of the western home counties, a lonely traveller might be slightly irritated by the peculiar fashion that’s apparently en voque in the countryside, when he suddenly finds himself face to face with a dark and ragged horde of wild creatures, adorned with feathers, leaves and bones.

When then the roaring thunder of drums rings out and mingles with the sound of pipe and fiddle, while spectral shadows start to twist and turn in a mesmerizing vortex – hopping, striding and wielding torches wildly – the traveller might start to question the unexpected effect the local cider seems to have on him.

And when finally giant furry shapes appear among the revellers, swaying to the rhythm, shaking their mighty horns and staring with glowing red eyes, our traveller finally submits to the fact, that he must have stumbled over some invisible border along the road into a wild otherworld – and might now as well join the round dance of fairies, beasts and goblins under the rising moon…

Established October 13th, 2019, and hailing from the surrounding areas of Herefordshire, BLACKTHORN RITUALISTIC FOLK recognize themselves as an ‘innovative dark performance group’.
Dedicated to breathing new life into the local folklore the members revive traditional dance, song, music and ceremonies to which they lend their own brand of pagan spirituality and romanticism.

Inspired by diverse traditional jigs and reels BLACKTHORN invent own choreographies that go by such promising names like ‘The Green Man’, ‘The Corpse Candles’ or ‘An Ode to John Dee’.
They also create mythological masquerades in cloak and fur like the Black Vaughan bull, the Apple Tree Man or the Darkest Ooser, a cunningly crafted replica of the lost Dorset Ooser, whose wooden face has since become an eerie icon of the folk horror parish.

The group gather and perform their rituals at sacred rural sites, ‘celebrating the Earth Cycle through the eight points of the Wheel of the Year’. They also attend communal wassails and have collaborated with artists like doom metal figureheads GREEN LUNG and veteran pagan goth-rockers INKUBUS SUKKUBUS.

Besides all those ritual ramblings the folks of BLACKTHORN do not shy away from positioning themselves clearly against fascism, racism and discrimination of any kind.
Though this should be considered a matter of course, it is a welcomed statement of honour in darkening times, in which culture and tradition are still abused as tools of hateful separation and not celebrated as the festival of diversity and connection it ought to be.

BLACKTHORN RITUALISTIC FOLK are living folklore of the best kind. A young vivid twig, sprouting from ancient roots.
May it grow and bloom. And may it inspire others wheresoever to join the dance themselves, embracing fire and shadow to the heartbeat of the earth.

ad comitatum

BLACKTHORN RITUALISTIC FOLK
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ARTIS MAGICA I

Die Merseburger Zaubersprüche / The Merseburg Charms

(see English version below)

Zwei Zaubersprüche, niedergeschrieben in Althochdeutsch um das 9. oder 10. Jahrhundert n. Chr., doch inhaltlich in vorchristliche Zeit zurückreichend.

Im Jahre 1841 wiederentdeckt von Georg Waitz, seines Zeichens Historiker, in der Dombibliothek zu Merseburg (daher der moderne Name), wurde ihre erste Ausgabe von niemand geringerem veröffentlicht und kommentiert, als Jacob Grimm.

Bis heute stellen die Zaubersprüche das einzig bekannte Relikt vorchristlich heidnischer Dichtung in der althochdeutschen Literatur dar.

Heilslieder, welche höhere Mächte beschwören sollen, um in Notlagen zu helfen, sind seit frühester Zeit Teil der menschlichen Kulturgeschichte.

In den vorliegenden sollen zum einen wohlgesonnene Geister dem Anrufenden helfen, aus Gefangenschaft zu fliehen, zum anderen wird die Heilung verrenkter Knochen von den Göttern selbst erbeten.

Idisen werden besungen. Die Namen Wodan, Frija und Balder verweisen auf die germanische Überlieferungen, welche sich zu dieser Zeit bereits mit der christlichen Heiligenverehrung vermischte.

Heutzutage sind diese Fragmente nicht mehr nur von akademischem Interesse, sondern finden sich auch im Ritual moderner Heiden wieder und inspirieren das Repertoire ungezählter Musiker und Barden.

Ob nun zur Unterhaltung vorgetragen, als meditatives Mantra geraunt oder als Stoßgebet in Notlagen gesungen, die Sehnsucht der Menschen nach Magie und Wunder bleibt ungebrochen.

Und bei aller Liebe zum Geist der Aufklärung: Manchmal weiß das schummrige Flackern einer uralten Laterne mehr Trost zu spenden, als das sachliche Licht eines modernen Scheinwerfers.

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Two charms in Old High German, written down in the 9th or 10th century a.D. but contentwise rooted in pre-Christian times.

Rediscovered in 1841 by historian Georg Waitz in the library of the cathedral chapter of Merseburg (hence the name), their first publication was edited and commented on by no-one less than Jacob Grimm.

To this day these charms are the only known surviving relics of pre-Christian, pagan poetry in Old High German literature.

Blessings to evoke higher powers as aide in times of distress are part of human culture throughout history.

In these specific ones beneficial spirits are called upon to free the praying one from imprisonment firstly and secondly the gods themselves are plead to heal a sprained bone.

Idisen are extolled. The names of Wodan, Frija and Balder point to Germanic tradition which by this era already mingled with Christian veneration.

Nowadays those fragments are not only of scholarly interest but found their way into the rites of modern pagans as well as into the repertoire of uncounted bands and bards.

No matter if performed for entertainment, murmured as a mantra during meditation or sung as a quick prayer in plight; mankind’s yearning for magic and wonder remains unbroken.

And by all love for the spirit of enlightenment: sometimes the dim glint of an ancient lantern is far more consoling than the sober light of a modern spotlight.

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Erster Zauberspruch / First Charm

Eiris sâzun idisi,   sâzun hêra duoder
suma haft heftidun,   suma heri lêzidun,
suma clûbodun   umbi cuniowidi
insprinc haftbandun,   infar wîgandun

Übersetzung:
Einstmals setzten sich Idisen, setzten sich hierhin und dorthin
Einige hefteten⁠ Hafte, andere hemmten das Heer
andere nestelten⁠ an festen Fesseln
Entspring‘ den Banden, entweich‘ den Feinden

Translation:
Once sat women
They sat here, then there
Some fastened bonds
Some impeded an army
Some unraveled fetters
Escape the bonds
flee the enemy

Zweiter Zauberspruch / Second Charm

Phôl ende Wuodan fuorun zi holza
dû wart demo balderes folon sîn fuoz birenkit
thû biguol en Sinthgunt, Sunna era swister
thû biguol en Frîja, Folla era swister
thû biguol en Wuodan, sô hê wola conda
sôse bênrenki, sôse bluotrenki
sôse lidirenki
bên zi bêna, bluot zi bluoda
lid zi geliden, sôse gelîmida sîn

Übersetzung:
Phol und Wotan ritten in das Gehölz
Da wurde dem Balders-Fohlen sein Fuß verrenkt
Da besprach ihn Sinthgunt, die Schwester von Sunna
da besprach ihn Frija, die Schwester von Folla
da besprach ihn Wotan, der es wohl verstand
Wie Beinverrenkung, so Blutverrenkung
so Gliederverrenkung
Bein zu Bein, Blut zu Blut
Glied zu Gliedern, wie geleimt sollen sie sein

Translation:
Phol and Wodan were riding to the woods
and the foot of Balder’s foal was sprained
So Sinthgunt, Sunna’s sister, conjured it
and Frija, Volla’s sister, conjured it
and Wodan conjured it, as well he could
Like bone-sprain, so blood-sprain
so joint-sprain
Bone to bone, blood to blood
joints to joints, so may they be glued.

ad comitatum